PIO Karosseriebau Bruno Piotrowski

Die Karosserien der Porscheloks wurden im Auftrag der Sollinger Hütte Uslar bei der Firma PIO Karosseriebau in Hamburg-Fischbek gefertigt.

Nachfolgender Text stammt aus dem Buch „Fischbeker Vergangenheit“ der Autoren Karl Heinz Altevogt, Heinrich Butt, Manfred Heinrichs und Hans Strüver, den wir mit freundlicher Genehmigung der Geschichtswerkstatt Süderelbe hier veröffentlichen dürfen.


Im Jahre 1911 erwarb der Stellmachermeister Julius Piotrowski ein Grundstück am Fischbeker Weg 16 und ließ darauf ein Wohnhaus mit eingelagerter Werkstatt bauen. Das Haus erhielt die laufende Fischbeker Hausnummer 104.

Im Fischbeker Dorf gab es derzeit noch keinen Anschluss an das Stromnetz. Alle Arbeiten für die Anfertigung von Ackerwagen, Schottischen Karren, Handwagen, Schiebkarren, hölzernen Eggen und was an weiteren Auftragswünschen kam, wurde in Handarbeit hergestellt. Die Beschläge und das Aufziehen der Radreifen wurden von Dietrich Oelkers ausgeführt, dem Schmiedemeister und Gastwirt an der Chaussee.

Julius Piotrowski hatte gut zu tun und baute, nachdem Elektrizität verfügbar war, westlich des Wohnhauses ein Werkstattgebäude. Hierin wurde dann mir den über Transmissionswellen angetriebenen Holzbearbeitungsmaschinen gearbeitet. Der Bau hochwertiger Rollwagen und Kutschen war möglich. Mit der Weiterentwicklung der Automobile konnten auch die Aufträge örtlicher und Harburger Unternehmen zum Bau von Fahrerhäusern und hölzernen Ladepritschen auf Automobilchassis erfüllt werden.

Der älteste Sohn Bruno wurde Stellmachergeselle und übernahm später als Wagen- und Karosseriebaumeister den expandierenden Handwerksbetrieb, der sich 1935 mit der Einrichtung einer Schmiede und Karosserieschlosserei der fortschreitenden Fertigungstechnik anpasste.

Im 2. Weltkrieg musste der Betrieb auch Rüstungsaufträge übernehmen. Für den Bau von Großschlitten zum Einsatz im Osten waren u.a. vier in Gefangenschaft geratene Soldaten aus Frankreich eingesetzt. Die kamen täglich mit dem Fahrrad vom Lager am Opferberg. Verpflegung erhielten sie im Betrieb.

Die Zeit nach dem Kriege brachte viele Neubau- und Reparaturaufträge an Fahrzeugen aller Art. Der Betrieb expandierte, obwohl erhebliche Materialknappheit herrschte. Weite Werkstattgebäude wurden gebaut, und viele Handwerker und Auszubildende hatten hier ihren Arbeitsplatz. Da die Hoffläche zu klein war, wurden Fahrzeuge auf der damaligen Dorfstraße abgestellt, ein idealer Spielplatz für die Dorfjugend. 1948 wurde der letzte Omnibus ausgeliefert, der noch in der kurz darauf nicht mehr zulässigen Holzgerippebauweise hergestellt war.

Die Metallbauweise der Karosserien löste allmählich die bisher noch praktizierte Holzbauweise der Stellmacher ab. Einige Mitarbeiter verloren ihren Arbeitsplatz. Andere wurden umgeschult.

1950 ließ Bruno Piotrowski den vom Mitarbeiter Blessing konstruierten PIO-Kleinstwagen bauen. Das 3 m lange Fahrzeug mit selbsttragender Pontonkarosserie , Klappverdeck und ohne Türen, wurde von einem luftgekühlten 400 ccm³ Ilo-Motor angetrieben. Der Motor leistete 12 PS und lieferte eine Höchstgeschwindigkeit von 75 Km/h bei einem Verbrauch von 5 L / 100 Km. Das Auto sollte ab Werk 2.800 DM kosten, hat aber nie die Serienreife erreicht.

Neben den nach Kundenwunsch gebauten Fahrerhäusern und Aufbauten auf beigestellten LKW-Fahrgestellen gab die Kleinserienfertigung von Treckerverdeck, Sitzgestühl, Motorrollerverkleidungen, Teilefertigung für Schüttgutförderanlagen, Wohnwagenkarossen und verschiedener Sonderaufbauten reichlich Beschäftigung. Zusätzliche Produktionsfläche wurde erforderlich.

1955 konnte die Produktion von Kleinserienprodukten in das neu errichtete Werk II verlagert werden, in dem sich auch eine moderne Lackiererei befand. Hier wurden in den Folgejahren neben Reparaturen an PKW- und Omnibuskarossen, insbesondere Aufbauten für kleine Schienenfahrzeuge, Kleinbusse für den Werksverkehr, für Messen und Ausstellungen, für Bäder- und Freizeitparks in größeren Stückzahlen hergestellt.

Nach dem frühen Tod von Bruno Piotrowski und der Übernahme derartiger Fertigungsinhalte durch die großen Fahrzeugproduzenten bildete sich der Betrieb stetig zurück, obwohl er in Spitzenzeiten mit über 60 Handwerkern und Auszubildenen einer der größten Handwerksbetriebe in Fischbek war. 1978 wurde der Betrieb endgültig geschlossen. Die Produktionshallen wurden von anderen Handwerkern übernommen.


Aus den Buch von Hans F. Cords ‚Neugrabener Geschichten