Henry Escher sen.

Henry Escher wurde am 7. Mai 1895 in Chemnitz geboren.

Im Adressbuch von Chemnitz 1930 ist als sein Beruf „Prokurist“ angegeben. Im Jahr 1941 hatte er eine Firma für „Eigenheim- und Wohnungsbau“.

Kommerzienrat Gustav Gerst war ein jüdischer Kaufmann in Chemnitz und Eigentümer des Kaufhaus Tietz. Um 1933 war das Warenhaus Tietz, das damals über 1000 Mitarbeiter hatte, ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in der Stadt. Der hiesige NS-Kampfbund für den gewerblichen Mittelstand, der den „Boykott jüdischer Waren, jüdischer Ärzte und jüdischer Rechtsanwälte“ am 1. April 1933 organisierte, setzte auch das Warenhaus Tietz auf die Liste der Geschäfte, die von der Bevölkerung von nun an gemieden werden sollten.

Durch Vermittlung des Ratsherrn Siegfried Hauschild, der zum abwesenheitspfleger für den nach Schweden emigrierten Gustav Gerst bestellt worden war, konnte der Chemnitzer Immobilienkaufmann Henry Escher ab Juni 1940 den Erwerb des ehemaligen Warenhausareals vorantreiben.

Escher beabsichtigte, das Gebäude während des Krieges für besondere Lagerzwecke zu nutzen. Gleichzeitig entwickelte er ein Nutzungskonzept für die Nachkriegszeit: Einbau eines Kinos, von Läden, Geschäftsräumen und eines Kaffeehauses. Schnell konnte Henry Escher das Haus an das
Marinebekleidungsamt Wilhelmshaven vermieten und ließ deswegen den Innenraum teilweise umbauen, ohne jedoch dafür baupolizeiliche Genehmigungen zu besitzen. Im Frühjahr 1945 wurde das Gebäude des einstigen Warenhauses während der alliierten Luftangriffe auf die Stadt durch Spreng- und Brandbomben schwer beschädigt und brannte größtenteils aus.

Nach Kriegsende wurde das Grundstück, das sich noch im Besitz von Henry Escher befand, nach Befehl 124 der Sowjetischen Militäradministration vom 30. Oktober 1945 durch die Stadt beschlagnahmt und als Sondervermögen verwaltet.

Mitte der 1950er Jahre wechselte Escher nach Berlin (West) und arbeitete dort bei der „INTERBAU – Internationale Bauausstellung Berlin GmbH“ mit an der Vorbereitung für die INTERBAU 1957. Dort war er als „Sachbearbeiter des rollenden Gutes“ tätig. In dieser Position war er der Ansprechpartner von Arthur Franke, der zur Bauausstellung die VW-Hechtlok im Berliner Zoo, den „Bückeburger“ und „Onkel Arthur“ als Ausstellungszüge überirdisch und zwei VW-Züge als „Tunnelexpress“ im zukünftigen U-Bahn-Tunnel betrieb.

Henry Escher (4. von links) und Arthur Franke (im Fahrzeug mit Hut)

Details dazu:
VW-Hechtlok 1955 im Berliner Zoo
Der Bückeburger
Onkel Arthur

Escher sah die Möglichkeiten und bewarb sich bei der Bundesgartenschau 1959 in Dortmund um den Betrieb von schienengebundenen und schienenlosen Zügen. Er bekam den Zuschlag, gründete die „Henry Escher Ausstellungsbahn KG“ und wechselte nach Dortmund. Zusammen mit Arthur Franke wurden die ersten vier Porscheloks der Serie 1 angeschafft, ebenfalls drei schienenlose Züge.

Zusammen mit seinem Sohn Heinz, der für die schienenlosen Züge zuständig war, und später mit seinem Enkel Henry Escher jr. baute der den Betrieb stetig aus. Neben 13 Porschezügen, der Ford-Porschelok und einem Elektrozug hatte er mindestens zwölf schienenlose Züge und acht elektrische Grachtenboote im Portfolio. Zwischen 1959 und 1979 war sein Betrieb in fast allen Gartenschauen in Deutschland vertreten, ebenso in Rotterdam und Amsterdam.

Alle Verträge wurden zur höchsten Zufriedenheit seiner Vertragspartner erfüllt. In Karlsruhe wurde er mit der goldenen Ehrenmedaille der Bundesgartenschau ausgezeichnet.

Henry Escher verstarb plötzlich und unerwartet am 5. November 1976. Auf seinen Wunsch hin wurde er in seiner Heimatstadt Chemnitz beerdigt.

[HS]